Überquerung des rheinhessischen Ostplateaus

Wan­der­glück, Wan­der­lust, Wan­der­freude? Für mich ist Wan­dern zweier­lei: Eine Bewe­gung, die mich vom Kopf in den Kör­p­er kom­men lässt. Und eine Art Land­schaft auf den Grund zu gehen — sie mit meinen Sin­nen zu erspüren.

Ich liebe Wan­derkarten, vor allem in kleinem Maßstab. Rich­tung, Abzweig, Pfade sind ein­fach zu erken­nen und nachzuempfind­en. Höhen­lin­ien, Sym­bole, Wegbeschrei­bun­gen sind mir zu abstrakt. Bewege ich mich durch eine Gegend, erschließe ich Sie mir, ver­schaffe ich mir einen Ein­druck von der Region. Sen­sorische Grund­la­gen­forschung: Ein Gefühl bekom­men für Dis­tanzen, Dimen­sio­nen, Pro­por­tio­nen, Geruch, Bedin­gun­gen, Per­spek­tiv­en, Her­aus­forderun­gen, Voraus­set­zun­gen. In meinem Kopf erstelle ich qua­si eine per­sön­liche men­tale Wanderkarte.

Vor eini­gen Jahren haben wir von Ingel­heim aus in Rich­tung Essen­heim das rhein­hes­sis­che Ost­plateau über­quert. Begren­zt im Osten durch den Ober-Olmer Wald, im West­en durch das Selz­tal, im Nor­den vom Rhein und im Süden durch die Abbruchkante bei Essen­heim – wie die Senke bei Nieder-Olm heißt, weiß ich jet­zt nicht. Wir waren gute 3 Stun­den unter­wegs, um diese Fläche zu durch­queren. Vorher dachte ich, der Weg von Ingel­heim nach Essen­heim sei ein Katzen­sprung. Fußgänger brauchen Aus­dauer. Auch deshalb, weil der Weg eigentlich ziem­lich lang­weilig ist; wenn nicht ger­ade saftige Kirschen, Äpfel, Bir­nen, Wein­trauben oder Pflau­men reif sind! Oder über­reif im Früh­herb­st. Wenn der Boden von der Nacht oder den ersten Nebeln noch leicht feucht ist und die Sonne alles wärmt und zum Duften bringt: Erde, Gras, gären­des Obst.

Nichts für Hochsom­mer­wan­derun­gen. Die Sonne knallt erbar­mungs­los runter. Kein Schat­ten weit und bre­it. Es sei denn, man will sich mal richtig brutzeln lassen.

Ide­ales Ther­mikare­al für Segelflieger. Deshalb der Flug­platz Finthen. Son­st kaum eine Men­schenseele. Die über­wiegend asphaltierten Wirtschaftswege eignen sich eher zum Rad­fahren oder Skat­en. Darauf laufen ist auf die Dauer anstren­gend. Und Vor­sicht: Nicht jed­er Weg, der abzukürzen scheint, hält dieses Ver­sprechen. Oft sind es Schleifen, mit der die Bauern die Riesen­fläche erschließen.

Einen prak­tis­chen Vorteil hat dieses Gegend: Wan­der­er, die lerne wollen mit dem Kom­pass zu navigieren, find­en hier ein ide­ales Übung­ster­rain. Immer der Nadel nach, im Zweifel lässt es sich auf dem Plateau leicht mal quer­feldein laufen. Läuft man der Nase nach, kann man sich am Kom­post­werk in der Nähe von Wack­ern­heim orientieren.