Neulich fuhr ich mit dem Fahrrad auf dem Campus. Just, wenn ich das Gefühl hatte, ich würde jetzt am liebsten querfeldein fahren, zeigten Spuren in Wiese und Erde, dass schon andere vor mir das gleiche gedacht hatten und es tat sich ein Trampelpfad auf. Trampelpfade begleiten mich schon seit meiner Kindheit, wenn ich – bei Streifzügen mit der Bande — schon spät dran war zum Mittagessen und den schnellsten Heimweg suchte oder wenn es darum ging, auf der Familienwanderung den langweiligen, endlosen Zick-Zack-Weg abzukürzen.
Trampelpfade haben etwas Menschliches, etwas Unkompliziertes, Leichtes. Sie faszinieren mich, weil wir mit ihnen etwas sagen – oder besser kommunizieren — ohne eine Wort zu sprechen. Deshalb wollte ich dem Trampelpfad auf den Grund gehen. Im Internet stieß ich tatsächlich auf einen Forscher, der sich mit diesem Wegesystem beschäftigt — den Physiker und Trampelpfad-Forscher Prof. Dirk Helbing (Interview mit ihm über seine Trampelpfad-Forschung).
Helbing hat herausgefunden, wie diese Wegesysteme entstehen: „Trampelpfade entstehen in zwei Fällen: Wenn Wege gänzlich fehlen – oder Menschen das Gefühl haben, dass die vorhandenen nicht gut genug sind.“ Trampelpfade machen Spaß. Sie sind immer da, wenn man sie braucht. Sie sind Bestätigung. Andere haben vor einem die gleiche Idee gehabt. Sie sind ein Beispiel dafür, dass sich Menschen durchaus organisieren können, ohne sich abzusprechen. Es flutscht sozusagen nach einem unausgesprochenen Plan, bei dem jeder zu seinem Recht kommt, wie Dirk Helbing herausgefunden hat: „Trampelpfade haben die Tendenz, fair zu sein und allen den gleichen relativen Umweg zuzumuten.“ Ich nenne es den Trampelpfad-Flow.
Dieses Erleben erinnert mich an Situationen, in denen ich mit Programmierern, Webdesignern und IT-Leute gemeinsam an einem Projekt arbeite und jeder den anderen versteht, den anderen ernst nimmt, an einer gemeinsamen Lösung interessiert ist, bereit ist Kompromisse zu schließen. Jeder sein Bestes gibt. In der die Online-Redakteurin gemeinsam mit dem hochspezialisierten Programmierer an der technischen Umsetzung von inhaltlichen Konzepten im CMS schraubt und der ITler zum Schluss sagt: Ja, so können wir es auch machen. Ich nennen es Projekt-Flow, bei dem ein Rädchen ins andere greift, ein System ohne Reibungsverluste entsteht, mit dem alle leben und arbeiten können. So stelle ich mir Netzwerke vor, in denen ich mitwirken möchte. Für die Kommunikationsbranche wünsche ich mir mehr Trampelpfad-Flow. Die Arbeit macht einfach mehr Spaß, wenn wir die Besserwisserei, das Beleidigt sein, das Scheuklappendenken bei Seite lassen.
Mit Trampelpfaden haben wir uns bis heute einen ursprünglichen Ausdruck bewahrt, der ohne akustische Sprache auskommt. In Trampelpfaden wird unser originäres Wesen als Gestaltende, Bildschaffende (Homo pictor) offenbar. Wir sprechen dabei die Sprache der Bilder. „Ihr Sagen ist kein wirkliches Sagen, sondern ein Zeigen.“ (Prof. Gottfried Boehm, Kunsthistoriker und Bildwissenschaftler) Mit Trampelpfaden zeigen wir uns gegenseitig den schnellsten und ökonomischsten Weg. Den irgendwann ein Erster verlässt, weil er ausgetreten, vermatscht, zugewuchert, betoniert, von Verkehr verstopft, versperrt oder sonst wie unökonomisch geworden ist und einen neue Pfad beginnt.
> Petra Schuseil
Hallo liebe Heike Tharun, gefällt mir gut das Bild der Trampfelpfade. Passt irgendwie zu einem sinnigen Lebenstempo. Herzliche Grüße. Petra Schuseil
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