Schon auf der alten Sandsteinbrücke sehe ich sie: Den Berg und den Turm. Da will ich heute hoch. Auf beide, versteht sich. Insgesamt 330 Meter. 300 Meter Berg. 30 Meter Turm. Mein Bauch merkt, dass mir der Kopf nach „Go“ steht. Meine Höhenangst ist nach langem Üben schließlich eine Etage runtergerutscht. Blockiert nicht mehr den Kopf. Grummelt jetzt im Magen. Das ist schon mal die halbe Miete. Ich atme. Richte den Blick nach vorne auf den schmalen Pfad. Fest entschlossen.
Ich starte in Oberhausen an der Nahe. Biege gleich hinter der Brücke auf den Wiesenweg ein. Der wird erst schmäler, dann immer matschiger. Balanciere über die rutschigen Stellen. Von Radspuren zerfurcht. Biker habe die feuchte Erde aufgewühlt. Nach einer felsigen Passage mündet der Pfad in einem niedrigen Tunnel. Gebückt wate ich durch Pfützen unter den Bahngleisen durch. In den Weinbergen geht es hoch nach Schloßböckelheim, runter durchs Tal und auf der anderen Seite die Hänge des Heimbergs wieder hoch. Querbeet folge ich einem Trampelpfad durchs Gestrüpp und lande tatsächlich auf einem befestigten Weg, der mich immer weiter in die Höhe führt. Gutes Näschen gehabt!
Die Winzer schneiden Reben. Über dem Weinberg taucht das Turmdach auf. Von hier unten sieht er harmlos aus. Ich steige weiter. Dann steht der Heimbergturm in voller Höhe vor mir.
Der Wind pfeift ordentlich um die Ohren. Irgendwie nicht gerade das ideale Wetter für mein Vorhaben. Ich laufe um den Turm herum. Komme an. Atme. Kann die Pfeiler mit meinen Armen umfassen. Steige die Treppen hoch. Mensch, das zieht hier wie Hechtsuppe. Sturmböen sind für den Abend angesagt. Die Vorboten. Etwa auf der Hälfte bleibe ich stehen. Schaue mich um. Beine und Bauch sind ruhig. Trotzdem, der Wind jagt mir Respekt ein. Höre ihn oben durch ‘s Geländer pfeifen. Bei sonnigem, windstillem Wetter wäre alles kein Problem. Aber so?! Ich drehe um.
Schon auf dem Weg runter zur Nahe bleibe ich noch mal stehen. Drehe mich um. Aus zirka 100 Metern Abstand betrachte ich den Turm von oben bis unten an. Es gibt keinen Grund nicht hochzusteigen. Keine Gefahr für Leib und Seele. Nur ein bisschen Wind. Denke an Matrosen, die in die Masten steigen; bei Wetter, Wind und Sturm. Dagegen ist das hier doch ein Klacks! Male mir aus, was mich ohne wenn und aber dazu bringen würde, auf die Plattform zu steigen. Alles Mögliche geht mir durch den Kopf, für das ich über mich hinauswachsen würde. Heute geht es BLOSS darum ein Vorhaben umzusetzen. Dann aber stelle ich mir vor, wie enttäuscht ich wäre, wenn ich diese Gelegenheit nicht beim Schopf packen würde. Entschlossen kehre ich zurück. Nehme die ersten Stufen. Den Blick immer auf den nächsten Absatz gerichtet. Ziehe die Kapuze als Windschutz über die Ohren. Zwischendrin kurze Stopps. Schaue vorsichtig nach oben. Sehe die Plattform. Für ’s Aufgeben ist es zu spät. Eine letzte Kehrtwende, dann bin ich oben! Yeah! Na also, geht doch! ;-)
Wenn die Sonne scheint, der Himmel wieder blau und die Sicht klar ist, komme ich wieder! Mit Kamera und Chip (!!), Stativ und meinem neuen Mut! Dann werde ich hier oben ein sagenhaftes Foto machen. Von meiner 2. Heimat!
Über den Niederthälerhof wandere ich die Turmrunde zurück nach Oberhausen (13 Kilometer). Stolz wie Oskar! :-) Das kontinuierliche Training hat sich gelohnt. Schritt für Schritt habe ich erst meinen Kopf und dann meinen Bauch an die neue, ungewohnte Situation gewöhnt. Habe mich selbst Zug um Zug überzeugt, dass die Gefahr nur in meinem Kopf ist. Und Kopfsachen lassen sich ändern!
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